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Stellungnahme zur Rückkehr der Abstandsregelung von Windenergieanlagen im Zuge der Novellierung der Landesbauordnung Sachsen-Anhalt

Am Freitag, den 03. Mai hatte der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr die vorläufigen Beschlussempfehlungen zur Novellierung der Landesbauordnung gefasst. Der Landesverband Erneuerbare Energie Sachsen-Anhalt kritisiert die durch die Koalitionsfraktionen des Landtags, CDU und SPD, getragene Empfehlung auf Grund der Rückkehr zur vorherigen Abstandsregelung für Windenergieanlagen (WEA) innerhalb des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr heftig. Die durch die Bauministerkonferenz beschlossene Musterbauordnung (MBO) sieht generelle Abstandsflächen bei WEA von 0,4H vor, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Eignungsgebieten sowie Windvorranggebieten mit der Wirkung von Eignungsgebieten. Entgegen dieser Empfehlung soll nun der Landtag Sachsen-Anhalt Abstandsflächen von 1H (=Gesamthöhe der Windenergieanlage) für WEA beschließen. Damit werden investitionshindernde Vorgaben manifestiert. Aufgrund der benötigten Baulasten in voller Höhe der Windenergieanlagen werden kosten- und zeitintensive Baulasteintragungen mit mehr Eigentümern von Flurstücken notwendig. Weiterhin verringern sich zum einen die Planungssicherheit für Großinvestitionen, zum anderen nehmen Bürokratie und Rechtsstreitigkeiten zu.

 

Vizepräsidentin Dr. Ruth Brand-Schock: „Mit dem Vorstoß von CDU und SPD wird eine optimale Auslastung von Windvorranggebieten verhindert. Nicht nur der Windbranche, die allein in Sachsen-Anhalt über 9.000 Arbeitsplätze stellt, auch produzierenden Unternehmen, die verstärkt in Windenergieanlagen zur Eigenstromerzeugung und somit zur Stabilisierung der Strompreise investieren wollen, wird dadurch geschadet. Die Sicherung des Erneuerbaren-Industriestandortes sowie das Verfolgen der Energiewende und des Klimaschutzes spielt bei der Landesregierung Sachsen-Anhalt offensichtlich keine Rolle mehr. Als Verband fordern wir dringend eine Nachjustierung im Zuge der Novellierung der Landesbauordnung.“

 

Mit der 1H-Regelung stellt sich der Ausschuss gegen die MBO, die für WEA innerhalb und außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten Abstandsflächen von 0,4 H vorsieht. Dieser verringerten Abstandsflächenregelung folgen in unterschiedlicher Ausgestaltung weitestgehend alle anderen Bundesländer. Begründet wird die Entscheidung des Landtagsausschusses mit der höheren Gewichtung der Gefährdungsvermeidung für die Bevölkerung. Diese Argumentation ist jedoch nicht schlüssig. Der Ausschluss einer Gefährdung wird durch Genehmigungsverfahren bzw. der Abstandsregelungen der Regionalpläne sichergestellt. An dieser Stelle seien einige konkrete Beispiele im Kurzen benannt:

1.Auswirkungen von Schallimmissionen und Schattenimmissionen
Im Rahmen jedes Genehmigungsverfahrens nach  Bundesimmissionsschutzgesetz (BimschG) ist es erforderlich, dass für beantragte WEA ein entsprechendes Gutachten erstellt wird. Dieses dient dem Nachweis der Einhaltung der entsprechenden Werte, welche generell in der Technischen Anweisung Lärm sowie deren lokaler Abweichungen festgeschrieben sind. Auf Grundlage dieses Gutachtens würden etwaige Überschreitungen der Grenzwerte zu Abschaltungen oder Leistungsreduzierungen zur Einhaltung des Schallpegels führen. Aufgrund der vorhandenen Regelung im §4 des BimschG ist eine parallele Betrachtung in der LBO nicht erforderlich.

2. Eiswurf
Windenergieanlagen verfügen in der Regel über ein Verfahren zur Erkennung von Eisansatz. Diese Verfahren sind im Rahmen des BimschG-Verfahrens zu benennen und sind durch Zertifizierungen bzw. gutachterliche Stellungnahmen unabhängiger Gutachter nachzuweisen.

3. Lösende Einzelteile
WEA müssen zertifiziert sein und jeweilige Typenprüfungen vorweisen (ähnlich dem TÜV), die bei der zuständigen Genehmigungsbehörde eingereicht werden müssen. Des Weiteren werden WEA in der Regel von Serviceunternehmen permanent fern überwacht, regelmäßig gewartet und instand gehalten. Ein erhöhtes Risiko lösender Teile ist nicht zu erwarten. Weiterhin sollen gemäß den Vorgaben aus dem Landesentwicklungsplan sowie in ihrer Ausgestaltung in den jeweiligen Regionalplänen, Windenergieanlagen nur in Vorrang- und Eignungsgebieten errichtet werden. Die Regionalpläne arbeiten hier derzeit mit einem Tabu-Abstand zur Wohnbebauung von min. 1000 m. Eine erhöhte Gefährdung der angrenzenden Anwohnerinnen und Anwohner ist somit nicht begründbar.

 

Zusammenfassung:
Das Land Sachsen-Anhalt hat hinsichtlich der Erreichung der Ausbauziele für Erneuerbare, die in der derzeitigen Klimastrategie Sachsen-Anhalt festgeschrieben sind,
noch einen langen Weg vor sich. U.a. ist in Sachsen-Anhalt der Ausbau der Onshore-Windenergie auf 6000 MW im Jahr 2020 geplant, bisher sind ca. 3750 MW errichtet.
Durch eine Aufrechterhaltung der Grenzabstände beim einfachen der Gesamthöhe der jeweiligen WEA kommt es zu einer nicht optimalen Ausnutzung der durch die
Planungsgemeinschaften ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebiete. Der Schutz der Bevölkerung gegenüber den von WEA ausgehenden Immissionen wird in ausreichendem Maße durch die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere TA-Lärm, und den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere Standfestigkeit sowie Turbulenzgutachten, und den sich daraus ergebenden Mindestabständen gewährleistet. Des Weiteren wird durch die Aufstellung von Tabukriterien in den jeweiligen Regionalplänen für Abstände zu Wohnbebauungen diesem Interesse ebenfalls ausreichend und schlüssig Rechnung getragen. Eine Begründung für die Beibehaltung der 1 H-Abstandsregelung ist somit nicht
gerechtfertigt. In der MBO wird 0,4H sowohl innerhalb als auch außerhalb von Windvorrang- und Eignungsgebieten empfohlen. Darüber hinaus ist die Empfehlung der Bauministerkonferenz mit dem Ziel einer Harmonisierung der Abstandsflächen in den einzelnen Bundesländern verbunden gewesen. Dieses bezieht sich jedoch nicht nur auf
die Regelungen innerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten für die Windenergienutzung. So gilt eine verringerte Abstandsregelung in den anderen Bundesländern nicht nur in ausgewiesenen Gebieten, sondern im Allgemeinen. Des Weiteren ist bspw. eine noch geringere Abstandsfläche in Industrie- und Gewerbegebieten möglich. Unter anderem führt die Beibehaltung der 1H–Abstandsregelung quasi schon von vorn herein zu einer Verhinderung der Erzeugung von Energie durch Windenergieanlagen in Industriegebieten, da dieser erforderliche Abstand zu den umstehenden Werksgebäuden schwer einzuhalten ist. Aber auch diese Windenergieanlagen sind nach BimschG genehmigungspflichtig und müssen
entsprechende Nachweise zum Ausschluss von Gefährdungsrisiken erbringen. Das Ziel des Landes sollte sein, die weitergehende Nutzung der Windkraft zur Erzeugung von kostengünstigem Strom in ihre langfristigen Strategien miteinzubeziehen. Dementsprechend formuliert der Landesverband Erneuerbare Energien sein Anliegen an die Landtagsabgeordneten.

Empfehlung:
Der Landtag möge beschließen, eine harmonisierte Abstandsregelung von Windenergieanlagen von 0,4 H sowohl innerhalb als auch außerhalb von
Eignungsgebieten sowie Vorranggebieten mit der Wirkung von Eignungsgebieten vorzunehmen. Dieses trägt der Intention der Novelle zur Vereinfachung des Baurechtes Rechnung. Um Industrieunternehmen die kostengünstige und preisstabile Eigenstromerzeugung durch WEA zu ermöglichen, sollte in Gewerbe- und Industriegebieten die 0,2H-Abstandsflächenregelung zur Anwendung kommen.

Magdeburg, 13.05.2013